BGH ändert Rechtsprechung zur Eigenbedarfskündigung
veröffentlicht am: 05.04.2017Ausgangslage:
Nach der bislang geltenden Rechtsprechung des BGH muss der wegen Eigenbedarfs berechtigt kündigende Vermieter dem Mieter eine andere, ihm während der Kündigungsfrist zur Verfügung stehende vergleichbare Wohnung zur Anmietung anbieten, sofern diese sich im selben Haus oder in derselben Wohnanlage befindet und er sie erneut vermieten will; andernfalls ist die ausgesprochene Kündigung rechtsmissbräuchlich und unwirksam (zuletzt: BGH, Urteil v. 21.12.2011, Az.: VIII ZR 166/11).
Eine zum Kündigungszeitpunkt wirksame Kündigung könnte nach dieser Rechtsprechung im Laufe der Kündigungsfrist unwirksam werden, wenn sich zwischenzeitlich eine andere Vermietungsmöglichkeit auf Seiten des Vermieters ergeben hat. Bei Kündigungsfristen von bis zu neun Monaten konnte dies eine erhebliche Rolle spielen.
Diese Rechtsprechung relativierte die Rechtslage dahingehend, dass der eigentlich entscheidende Zeitpunkt für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung der Zugang beim Mieter ist.
Entscheidung des BGH:
Im Urteil vom 14. Dezember 2016 – VIII ZR 232/15 hat der Bundesgerichtshof diese Rechtsprechung nun geändert.
Grundsätzlich ergibt sich aus dem bestehenden Mietvertrag eine Rücksichtnahmepflicht des Mieters, aus der der BGH bislang eine Anbietpflicht des Vermieters entnommen hat. Die Wohnung als Mittelpunkt der persönlichen Existenz eines Menschen kommt besondere Bedeutung vom Verfassungsrang zu.
Die Verletzung einer solchen Rücksichtnahmepflicht zieht jedoch eigenständige Rechtsfolgen nach sich und lässt die Wirksamkeit einer berechtigt ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung unberührt.
Der Verstoß des Vermieters gegen die Rücksichtnahme und damit gegen die Anbietpflicht liegt jedoch nicht in der Kündigung, sondern später begründet. Es ist unter diesen Umständen weder gerechtfertigt noch in dogmatischer Hinsicht überzeugend begründbar, den rechtmäßig erfolgten Ausspruch einer Eigenbedarfskündigung als rechtsmissbräuchlich anzusehen und die Kündigung nachträglich als unwirksam zu bewerten.
Die Wirksamkeit der Kündigung bleibt daher bestehen. Vielmehr zieht eine Verletzung der mietvertraglichen Rücksichtnahmepflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) des Vermieters – wie auch bei sonstigen Verstößen gegen Nebenpflichten – lediglich Schadensersatzansprüche nach sich. Dem Mieter können daher allenfalls Ersatzansprüche in Geld für hierdurch entstandene Schäden (etwa Umzugs- und Maklerkosten) zustehen.
Hinweis:
Der Fall des BGH setzt eine grundsätzlich wirksame Eigenbedarfskündigung voraus. Besteht beim Vermieter kein Eigenbedarf, ist die Kündigung unwirksam und kann nicht nachträglich wirksam werden.
Sollte der Vermieter bei Ausspruch der Kündigung über eine Alternativwohnung verfügen, muss er diese dem Mieter auch weiterhin anbieten.
Oliver Fouquet
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht
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