Kann der Mieter wegen Baulärms die Miete mindern?
veröffentlicht am: 13.09.2016
Ausgangslage:
Lärmbeeinträchtigungen wegen Baulärms wirken sich schnell störend für den Mieter aus. Der Mieter mindert dann aufgrund dieser Störungen die Miete. Eine Minderung ist möglich, wenn es sich um einen Mangel i. S. d § 536 Abs. 1 BGB handelt. Problematisch hierbei ist, dass der Vermieter keine Möglichkeit hat, den Baulärm abzustellen.
In der sog. »Bolzplatz Entscheidung« vom 29.04.2015 – VIII ZR 197/14 hat der BGH entschieden, dass eine Minderung aufgrund von Lärmbeeinträchtigungen, die von einem Bolzplatz ausgehen, ausgeschlossen ist. Begründet wurde dies damit, dass nachträgliche Geräuschimmissionen, die von einem Nachbargrundstück ausgehen, grundsätzlich keinen zur Mietminderung berechtigenden Mangel darstellen, wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss. Insoweit nimmt der Wohnungsmieter an der jeweiligen Situationsgebundenheit des Mietgrundstücks teil. Ausnahmen liegen nur bei ausdrücklichen Regelungen der Mietparteien vor.
Entscheidung des Landgerichts Berlin:
Im Urteil des Landgerichts vom 16.06.2016 - 67 S 76/16 befand sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Mietobjekts in Berlin-Mitte eine Baulücke, die mit Bäumen bewachsen war. Drei Jahre später wurden auf dem Grundstück – auf dem sich die Baulücke befand - ein Neubau samt Tiefgarage errichtet. Die damit verbundenen Bauarbeiten hatten zur Folge, dass die Mieterin erheblichen Bauimmissionen über einen Zeitraum von ungefähr zwei Jahren ausgesetzt war. Der Vermieter verwies darauf, dass in Großstädten angeblich solche Baumaßnahmen üblich seien. Darüber hinaus hatte er vom Eigentümer des Grundstücks keinerlei Entschädigung erhalten. Schließlich führte der Vermieter an, dass die Mieterin fahrlässig gehandelt habe. Sie hätte aufgrund der Baulücke damit rechnen müssen, dass es zu derartigen Bauarbeiten komme.
Das LG Berlin war der Auffassung, dass ein zur Minderung berechtigender Mangel vorlag. Infolge der geschilderten Beeinträchtigungen wurde vom vertraglich geschuldeten Zustand der Mietsache abgewichen. Denn die Mietparteien vereinbaren auch ohne Vorliegen einer ausdrücklichen Vereinbarung konkludent, dass die Wohnung als Mietsache dem üblichen Mindeststandard entspricht. Der übliche Mindeststandard ist nur dann erfüllt, wenn die Wohnung ohne Gesundheitsschäden bewohnbar ist. Hiervon kann nach den Feststellungen des Gerichtes nicht ausgegangen werden. Denn die von der Mieterin geschilderten Bauimissionen – die unstreitig vorgelegen hatten – waren aufgrund ihrer Dauer und Intensität dazu geeignet, bei ihr gesundheitliche Beeinträchtigungen hervorzurufen.
Das o. g. Urteil des BGH ist nicht einschlägig. Denn vorliegend ging es nur um eine vorläufige Beeinträchtigung durch Immissionen. Darüber hinaus kommt hier auch keine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht, wie der BGH sie vorgenommen hat. Denn die Parteien des Mietvertrags haben hier eine konkludente Vereinbarung über den Mindeststandard der Mietsache getroffen. Aufgrund dessen ist eine ergänzende Vertragsauslegung auch dann ausgeschlossen, wenn der Vermieter weder die Beeinträchtigungen abwehren kann, noch ihm vom Eigentümer des Grundstücks Entschädigungsansprüche zustehen.
Schließlich stellt das LG Berlin fest, dass der Anspruch auf Minderung der Miete nicht nach § 536b BGB wegen der Baulücke ausgeschlossen war. Denn der Mieterin konnte hier keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Sie hatte allenfalls fahrlässig gehandelt, weil sie sich aufgrund der vorhandenen Baulücke keine Gedanken über die künftige Entwicklung ihres Wohnumfelds gemacht hatte.
Folge:
Andere Gerichte (z. B. LG München, Urteil vom 14.01.2016 , Az.: 31 S 20691/14) verneinen einen Anspruch auf Mietminderung wegen Baulärms aufgrund einer Baulücke in der Großstadt. Eine Mietminderung birgt für den Mieter die Gefahr einer Kündigung. Der Mieter sollte daher die Miete unter Vorbehalt bezahlen und die Mietminderung im Rahmen einer Teilrückforderung der Miete beim Vermieter geltend machen. Die Beeinträchtigungen sollten dokumentiert werden.
Oliver Fouquet
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht
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